20.03.2013

Zugfahrt Moskau - Astana (1. Abend und 1. Tag)



Reisebericht Erster Abend und erster Tag

Der Zug startete pünktlich um 22.50 Uhr in Moskau. Zu unserer Enttäuschung müssen wir schnell feststellen, dass die Fenster im gesamten Zug sehr dreckig sind und kaum eine freie Sicht aus dem Zug zulassen. Wir hatten uns darauf sehr gefreut, da wir bereits im Vorfeld bedenken bezüglich unserer Freizeitgestaltung hatten und die winterliche Landschaft von Moskau über den Ural hin zur kasachischen Steppe doch als viel versprechende Ablenkung dienen sollte. Wer sich also in erster Linie seine Zeit damit vertreiben möchte Fotos zu schießen, wird schnell merken, dass dies kaum möglich ist und nach Alternativen zur Freizeitgestaltung Ausschau gehalten werden muss (dies ergibt sich aber von selbst). Zu Beginn muss man sich an seine neue Umgebung gewöhnen und es überfallt einen für einen kurzen Moment ein beengendes Gefühl. Nachdem wir uns in unserer neue Umgebung eingerichtet und ausgebreitet haben, durften wir nun unser erstes Feierabendbier genießen. So konnten wir uns schnell eingewöhnen und fanden durchaus gefallen an der Aussicht über die nächsten drei Nächte und beiden Tage unsere Zeit im Zug zu verbringen.





Im Vorfeld hatten wir in Berichten im Internet gelesen, dass die russischen und vor allem kasachischen Passagiere die eher teuren separaten Schlafwagen zu meiden versuchen und eher dazu neigen im normalen "Holzwaggon" zu reisen. Dies bestätigte sich auch zum Teil. Wir hatten in Summe zu Beginn der Reise vier weitere Personen im Abteil. Auf der einen Seite direkt neben uns hatten sich eine etwas korpulentere Dame und ihre Tochter einquartiert, welche wir aber kaum zu Gesicht bekamen. Auf der rechten Seite war ein älterer Herr Begleiter unserer Reisegruppe, der aber in erster Linie durch seinen überaus lauten Raucherhusten auf sich aufmerksam machte und immer dann auf dem Gang zu hören war, wenn er tief schnaufend vor seiner Tür stand und zum Fenster rausschaute.

Ein Zimmer danach hatte sich ein jüngerer Herr eingenistet, welcher uns nach kurzer Zeit spontan Gesellschaft leistete und uns durchaus auf bisher nicht geahnte Grenzen aufmerksam machte. So dauerte es circa eine Stunde nach Abfahrt und Sergej stand bewaffnet mit einer Flasche Vodka, ein paar Plastikbechern, einem Liter Tomatensaft und einer Tüte Zitronenscheiben vor unserer Tür und musste sich nicht lange herein bitten lassen. Die sprachliche Barriere spielte fortan keine Rolle und so fand fortan ein gesellschaftlicher Austausch statt, welcher in erster Linie auf Alkohol basierte. Uns war relativ schnell klar, dass der Abend erst dann ein Ende findet, wenn der letzte Tropfen Vodka geflossen ist. So versuchten wir unser Bestes und die Flasche konnte relativ schnell geleert werden. Wie erwartet verlies Sergej daraufhin unser Abteil, jedoch nicht um sich in den verdienten Schlaf zu verabschieden, vielmehr kam er nach kurzer Zeit mit einer zweiten Flasche Vodka und seinem Notebook wieder. Dies war gleichzeitig der Startschuss für die zweite Runde. Durch sein Notebook konnte uns Sergej ein Stück weit in seinen Alltag als russischer Soldat einweihen und zeigte uns diverse Videos von Trainingseinheiten (sowohl an der Waffe als auch an der Flasche) und militärischen Einsätzen in Dagestan. Da wir wohl nicht die einzigen waren die einen langen Tag hinter sich hatten, sondern auch Sergej nach und nach die Kräfte verließen, fand der Abend bei ihm im Abteilung mit ein paar Schlücken Bier seinen Abschluss. Zugegeben war man aufgrund des hohen Tempos zwischenzeitlich bemüht sich im Raucherabteil "Luft" zu verschaffen. Über zu wenig Schlaf mussten wir uns dann aber keine Sorgen machen, da wir alle durchaus erledigt waren und die kontinuierlichen Fahrgeräusche des Zugs eine überaus beruhigende Wirkung auf einen haben.

Es ist jedoch zu empfehlen, dass nachts immer die Tür von innen verschlossen wird. Der Zug hält auch in der Nacht mehrmals und es kommen immer wieder Verkäufer in die Waggons. Da natürlich kaum Reisende den Zug verlassen und auch in den Gängen nicht unbedingt von regem Treiben gesprochen werden kann, öffnen die Verkäufer alle nicht abgeschlossenen Türen und rufen lauthals in jedes Abteil. Mal ehrlich, wer der Reisenden hat nachts zwingend einen Bedarf an Klatschblättern und Handys? Besonders lustig ist die Tatsache, dass einem mehrfach versucht wird Wolldecken zu verkaufen, obwohl der Waggon fortlaufend karibische Temperaturen hat und wir alle ohne Decken und teilweise Oberkörperfrei in den Betten lagen.
Am nächsten Morgen machten wir uns erstmalig auf den Weg durch den Zug. Da, wie bereits erwähnt, die Durchgänge durch die Abteile nachts geschlossen waren, konnten wir uns nun einen ersten Eindruck über den "Holzwaggon", die anderen Schlafkabinen und den Speisewagen verschaffen. Hierbei trafen wir auch die ersten Deutschen, die zwei Abteile weiter Hausten und uns in zehn Minuten versuchten ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Wie erkannten relativ schnell, dass wir in unserem Abteil besser aufgehoben waren und suchten das Weite (auch angesichts der Tatsache, dass kurze Zeit später in Samara der erste längere Halt auf uns wartete und wir uns für den Ausstieg vorbereiten wollten).

Erster längerer Halt in Samara

In Samara angekommen, freuten wir uns zunächst über die frische Luft. Es soll nicht der falsche Eindruck entstehen, dass es im Zug nicht auszuhalten ist. Die Wärme und die Tatsache, dass man keine Fenster öffnen kann ist aber zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig. In Samara angekommen warten am Gleis mehrere kleine Läden auf einen. Es ist ratsam sich nicht zuviel Essen und Wasser vorab zu kaufen, da es in den Läden eine große Auswahl an kalten Getränken, leckerem einheimischen Gebäck, Nudelterrinen, Obst, Kaffee und diverse andere Dinge günstig zu kaufen gibt.

In Samara hatten wir 45 Minuten Aufenthalt, welcher auch genutzt wurde um mit einer alten Unterhose von außen die Scheibe zu putzen. Dies ist allerdings nur Personen mit über 1,80 Meter Körperlänge vorenthalten, da der Zug samt Stellwerk ziemlich hoch ist. Nach längerem Reiben konnte ein kleines Loch erarbeitet werden, was lediglich dazu diente, ab und an ein paar Fotos zu machen.

Der Zug fuhr pünktlich nach 45 Minuten weiter. Es wird einem geraten ein bisschen früher wieder in den Waggon einzusteigen, da der Zug oftmals überpünktlich und ohne Ansage weiterfährt.




In Samara füllte sich das Abteil ausgiebig, so dass die ersten Minuten nach Abfahrt auch ein reger Verkehr im Gang zu vernehmen war. Zugegeben war die Anwesenheit mehrerer Fahrgäste nicht ausschließlich dem Treiben auf den Gängen anzumerken, vielmehr konnte nun auch erstmalig der prophezeite vermischte Geruch aus Alkohol, Knoblauch und körperlichen Ausdünstungen wahrgenommen werden.

So neigte sich auch der erste Tag allmählich dem Ende zu und die Zeit verging wie im Flug. Man hat durch die einzelnen kleinen Geschichten jegliches Zeitgefühl verloren und erfreut sich bereits nach den ersten 24 Stunden über einen hohes Maß innerlicher Ausgeglichenheit und Erholung. An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass Sergej fortan schnellstmöglich versuchte an unserem Abteil vorbei zu laufen. Wir hatten das Gefühl, dass er bewusst versuchte unsere Blicke zu vermeiden da er den gestrigen Abend wohl doch länger verarbeiten musste als wir.

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