21.03.2013

Zugfahrt Moskau - Astana (2. Tag und Grenzübergang)



Reisebericht 2. Tag

Am zweiten Morgen waren wir zunächst erschrocken darüber, dass das Abteil wieder wie ausgestorben war. Außer unserem hustenden Nachbarn und Sergej der immer noch unseren Blicken versuchte auszuweichen, waren alle zugestiegenen Personen in Laufe der letzten Nacht wieder ausgestiegen. Diesen Morgen versuchten wir zunächst mit einem Spaziergang und einer Malzeit im hiesigen Speisewagen zu beginnen. Dort empfingen uns einer ältere Dame, die wohl in erster Linie für die Buchhaltung und das Zählen der Einnahmen zuständig war und auch über das notwendige Sitzfleisch dafür verfügte, die Frau mit den Goldzähnen die gerade dabei war ihren Wagenbestand zu füllen und ein jüngerer Mann der sich gleich aufmachte uns mit der Speisekarte zu bedienen. Als Begrüßung bekamen wir mit einem breiten Lächeln von der Dame mit dem "goldenen Lächeln" ein freundliches "Heil Hitler" zu hören. Da wir davon ausgingen, dass sie sich weder bewusst war, welcher Rolle selbiger im zweiten Weltkrieg spielte noch welch Beleidigung diese Worte für uns darstellten, versuchten wir dies einfach zu ignorieren.

Selbstverständlich konnte der junge Mann weder Englisch und unser Russisch hielt sich auch eher in Grenzen. So bestellten wir zunächst versehentlich Salat, was er wohl für ein weniger sinnvolles Frühstück hielt und somit nach kurzer Zeit wieder an unseren Tisch kam um eine neue Bestellung aufzunehmen. Es stellte sich heraus, dass die Speisekarte wohl eher zum beeindrucken bestand und der Koch eher mit der Zubereitung einer einzigen Speise vertraut war - Spiegelei und Toast ohne Butter für umgerechnet fünf Euro. Nach dem Essen kam dann noch der Koch an unseren Tisch und wollte von uns wissen was in Deutschland Autos der Marken Mercedes und Volkswagen kosten, was wir ihm mit einzelnen gemalten Bildern auf einem Stück Papier zu visualisieren versuchten. Ich glaube er hat schnell begriffen, dass die Autos sich nicht in seiner Preisklasse befinden und versuchte wiederum mit einem Lächeln und einem freundlichen "Hitler kaputt" von der Diskussion abzulenken. Nach circa einer knappen Stunde wurden wir per Handschlag und einem freundlichen "Faschist" verabschiedet, was aber für unsere Seite auch ein Zeichen dafür war, den Wagen nicht noch einmal zu betreten. Angesichts der fortlaufenden Dauer der Fahrt spielte das aber ohnehin keine Rolle.






Zweiter längerer Halt in Cheljabinsk

Überpünktlich und nach ungefähr 1.900 Kilometern und circa 37 Stunden Fahrt erreichten wir unseren zweiten großen Halt in Cheljabinsk. Dies stellte zugleich auch unseren letzten längeren Halt vor den jeweiligen Grenzkontrollen dar und wurde daher ausgiebig für einen Spaziergang am Gleis an der frischen Luft genutzt. Es bietet sich hierfür an, sich im Abteil Klamotten zu Recht zu legen, die jederzeit spontan übergeworfen werden können. Sofern alle Personen aussteigen wollen, kann die Abteilungsmama gebeten werden das Abteil abzuschließen. Sie bewacht nicht nur den Einstieg, vielmehr hat man auch das Gefühl, dass sie sehr wohl einen Überblick über die jeweiligen Passagiere hat.

An größeren Bahnhöfen wird der Zug mit ausreichend Kohle versorgt, was zur Folge hat, dass nach Abfahrt großzügig geheizt wird und die ersten Stunden danach wiederum ohne T-Shirt verbracht werden können. Am Bahnhof in Cheljabinsk mussten wir dann auch von einem unserer Weggefährten Abschied nehmen. Auch wenn wir die letzten anderthalb Tage nur Sichtkontakt hatten, wurden wir von Sergej am Gleis per Handschlag verabschiedet. Es liegt die Vermutung nahe, dass er sich letzten Abend für seine Ankunft geschont hatte. So bekamen wir auch abschließend seinen kleinen Sohn Gregory zu Gesicht.

Am Bahnhof selber bietet sich nun wieder die Gelegenheit ausführlich Proviant einzukaufen. Ich versuchte mich dieses Mal mit einer Nudelterrine und war froh über das ein oder andere Kaltgetränk. Nach 35 Minuten fuhr unser Zug wiederum überpünktlich weiter.




Da der Grenzübergang immer näher rückt füllt die Abteilungsmama erstmalig eine Liste mit unseren Personaldaten aus. Zusätzlich dazu verteilt sie Ein- bzw. Ausreisekarten die zwingend aufgehoben werden müssen. Diese werden allerdings bei der Ausstellung der Visa dem Personalausweis beigelegt, insofern ist dies nicht zwingend erforderlich. Man könnte sich hier bereits von einer der beiden Karten trennen, was wir aber aufgrund unserer Unwissenheit vermieden.

Abfertigung Grenze - russische Seite in Troisk

Der Grenzübergang von Russland nach Kasachstan befindet sich zwischen den Städten Troisk und Kaerak nach ca. 2.200 Kilometer Strecke. Ab der Grenze sind es noch ungefähr 850 Kilometer bis Astana. Auf der russischen Seite erfolgt zunächst die Ausreisekontrolle durch russische Zollbeamte. Hierfür werden zunächst die Pässe von der Begleitung der Abteilungsmama eingesammelt und den Beamten vorab zur Prüfung übergeben. Daraufhin betreten Zollbeamte mit Taschenlampen und Spiegel unseren Waggon und überprüfen die Decken, den Boden und die einzelnen Abteile. Wobei sie bei letzterem sich eher oberflächlich einen Überblick verschafften. Daraufhin betrat ein Zollbeamter unser Abteil und kontrollierte überaus freundlich die einzelnen Pässe individuell. Für die Abfertigung sind laut Fahrplan 77 Minuten als Zeit eingeplant, welche zu unserer Überraschung wiederum mehr als pünktlich eingehalten wurden.

Die Fahrt von Troisk nach Kaerak war gekennzeichnet durch meterhohen Schnee an den Rändern der Gleise. So wurden wir zwischenzeitlich am benachbarten Gleis von einer Lokomotive begleitet, die uns den Weg mit einer riesigen Schnellschaufel als Nase bahnte. Es muss an dieser Stelle eigentlich nicht gesondert erwähnt werden, dass wir im Abteil immer noch mit kurzen Hosen unterwegs waren und die Wärme eher einer Zugfahrt durch Thailand glich. Ehrlich gesagt wird einem selbiger Eindruck auch dadurch vermittelt, dass die kasachischen Landsmänner und Frauen optisch stark mongolisch und chinesisch angehaucht sind.

Abfertigung Grenze - kasachische Seite in Kaerak

Die zweite Abfertigung erfolgte direkt an Grenze knapp einen Kilometer vor der ersten kasachischen Stadt Kaerak. Vorab kontrolliert die Abteilungsmama nochmal gründlich ob die von ihr ausgeteilten Ein- und Ausreisekarten richtig befüllt wurden. Nicht nur hierbei macht sich ein Hauch Nervosität bemerkbar. So konnten wir schon vor der ersten Kontrolle durch den russischen Zoll feststellen, dass eine Vielzahl an Gegenständen in Kartons und Taschen verpackt und in den leeren Abteilen gebunkert wurden. Ob hierbei alles mit rechten Dingen zuging sei mal dahingestellt.

Diesmal kamen drei kasachische Beamte mit zwei Hunden in unseren Waggon, welche aber zunächst in einem benachbarten Teil angebunden wurden und durch kontinuierliches Bellen auf sich aufmerksam machten. Zunächst musste also davon ausgegangen werden, dass die Kontrollen hier überaus unangenehm von Statten gehen, was aber absolut nicht der Fall war. Zur Passkontrolle kam lediglich ein Beamter in unser Abteil und interessierte sich überhaupt nicht für unser Proviant und unser Gepäck. Bestückt mit einem Notebook kontrollierte er wiederum überfreundlich unsere Pässe und stempelte erstmalig unsere Einreisekarte ab. Dieser Vorgang dauert pro Person circa zwei Minuten.

Daraufhin fuhr der Zug nach circa 50 Minuten pünktlich wie gehabt in Kasachstan weiter und erreichte nach knapp zwei Stunden den ersten großen Halt in Kustanay.





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen