Letzter Abend und Ankunft in Astana
Am Gleis in Kustanay erwartete
uns ein großer Andrang und binnen kürzester Zeit war das Abteil voll mit
kasachischen Landsleuten. Das Feld der Reisenden war durchaus gemischt, so
konnten wir unter den zugestiegenen nicht nur jüngere und ältere Personen
ausfindig machen, auch Kinder und eine Basketballmannschaft streiften nun durch
die Gänge. Nachdem wir uns, angetrieben von den letzten Schlücken unserer
Vodkaflaschen, auf den Weg zum Raucherabteil machten, trafen wir auf einen
jüngeren Herren mit einem Adidas-Trikot und einem aufgedruckten Fifa-Zeichen.
Nachdem klar war, dass wir dasselbe Ziel verfolgten, kamen wir relativ schnell
ins Gespräch und fanden uns binnen weniger Minuten in deren Abteil wieder. Bei
unseren Mitreisenden handelte es sich um eine Delegation des kasachischen
Erstligisten FC Tobol Kustanay, die sich ihrerseits aufmachten um einen ihrer
Sprösslinge als Spieler der Nationalmannschaft Kasachstans gegen Jogis Jungs zu Begutachten. Einmal mehr waren wir fasziniert von der unvoreingenommenen
Gastfreundlichkeit der Kasachen, die uns in ihrem Abteil mit Bier versorgten.
Zusätzlich dazu mussten wir in einen Topf mit gekochtem Pferdefleisch greifen
und versuchen beim Testen dieser lokalen Spezialität uns nichts anmerken zu
lassen. Leider enthielt der Topf auch einzelne Runde Scheiben unbekannter
Konsistenz, die laut unseren kasachischen Freunden die Potenz fördern und uns
mit einer derartigen Freundlichkeit angeboten wurden, dass wir uns der Gruppe
beugen mussten. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen konnten war,
dass die gleichen vier Personen später im Stadion ihre Plätze zufällig genau
neben uns einnahmen. Solche Geschichten schreibt eben nur der Fussball.
Am nächsten morgen erreichten wir
nach 58 Stunden und knapp 3.050 km die kasachische Hauptstadt Astana. Irgendwie
kam uns die Ankunft durchaus zu früh. Mittlerweile hatten wir uns sehr an
unseren Aufenthalt im Zug gewöhnt und uns durchaus so organisiert, dass die
Tage wie im Flug vergingen und zu keiner Zeit auch nur das kleinste Zeichen
eines Lagerkollers oder unerträglicher Langeweile aufkam. Dies kann ja bei
solch engen Räumen im Vorfeld nicht ausgeschlossen werden. Es fiel uns
letztlich mehr als schwer den Zug zu verlassen, dies überwog auch die Vorfreude
auf eine Ganzkörperreinigung im Hotel in Astana.
Fazit
Die Zugfahrt war ein tolles
Erlebnis mit vielen kleinen aber unvergesslichen Geschichten. Moskau als
Ausgangspunkt bietet den bestmöglich Ort für den Beginn dieser tollen Reise.
Ist man im Vorfeld damit bemüht sich über alle Eventualitäten den Kopf
zu zerbrechen gilt bei der Zugfahrt die Devise "weniger ist mehr". Man
fühlt sich schnell zu Hause, hat jederzeit das Gefühl ein willkommener Gast zu
sein und bekommt bei den Zwischenhalten alles an Verpflegung was man für ein
paar Tage benötigt. Die Preise sind nicht so billig wie wir uns das vorab
vorgestellt hatten, allerdings durchaus unterhalb des westlichen Standards. Das
kontinuierliche Heizen durch die Abteilungsmama führt dazu, dass man die
endlosen Weiten und Schneelandschaften zwischenzeitlich als nicht real
wahrnimmt. Die Reise mit dem Zug über den Ural hinweg zur kasachischen Steppe
bietet eine ideale Möglichkeit mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen und -
auch wenn die Sicht aufgrund der verschmutzten Fenster nicht die Beste war -
tolle Einblicke in die schier endlosen Weiten zweier unglaublich großer und beeindruckenden Länder.
Bei der Ankunft in Astana überkam uns gar ein Hauch von Wehmut, obwohl die Reise
noch nicht zu Ende war. Es bleibt schlicht der Trost, dass uns der Fussball
auch in der Zukunft die Möglichkeit bietet solch ein Abenteuer wahrnehmen und
darüber berichten zu können.
Exkurs Zeitumstellung
Die Zeitumstellung zwischen der
"moskauer Zeit" und der "jekaterinburger Zeit" erfolgt
offiziell laut Zeitzonenplan ungefähr nach einem Drittel der Strecke zwischen
Samara und Cheljabinsk (moskauer Zeit: Berliner Zeit + 3 Stunden auf
jekaterinburger Zeit: Berliner Zeit + 5 Stunden). Diese wird vom Fahrplan
jedoch nicht berücksichtigt. Die Zeitumstellung im Fahrplan erfolgt genau mit
der Überfahrt der Grenze von Russland nach Kasachstan. Die Zeitzone
"samaraer Zeit (Berliner Zeit + 4 Stunden)" wurde durch Vladimir
Putin im März 2010 abgeschafft, mit der Begründung dass diese wirtschaftlich ineffizient
sei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen