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22.03.2013

Zugfahrt Moskau - Astana (Letzter Abend und Ankunft in Astana)



Letzter Abend und Ankunft in Astana

Am Gleis in Kustanay erwartete uns ein großer Andrang und binnen kürzester Zeit war das Abteil voll mit kasachischen Landsleuten. Das Feld der Reisenden war durchaus gemischt, so konnten wir unter den zugestiegenen nicht nur jüngere und ältere Personen ausfindig machen, auch Kinder und eine Basketballmannschaft streiften nun durch die Gänge. Nachdem wir uns, angetrieben von den letzten Schlücken unserer Vodkaflaschen, auf den Weg zum Raucherabteil machten, trafen wir auf einen jüngeren Herren mit einem Adidas-Trikot und einem aufgedruckten Fifa-Zeichen. Nachdem klar war, dass wir dasselbe Ziel verfolgten, kamen wir relativ schnell ins Gespräch und fanden uns binnen weniger Minuten in deren Abteil wieder. Bei unseren Mitreisenden handelte es sich um eine Delegation des kasachischen Erstligisten FC Tobol Kustanay, die sich ihrerseits aufmachten um einen ihrer Sprösslinge als Spieler der Nationalmannschaft Kasachstans gegen Jogis Jungs zu Begutachten. Einmal mehr waren wir fasziniert von der unvoreingenommenen Gastfreundlichkeit der Kasachen, die uns in ihrem Abteil mit Bier versorgten. Zusätzlich dazu mussten wir in einen Topf mit gekochtem Pferdefleisch greifen und versuchen beim Testen dieser lokalen Spezialität uns nichts anmerken zu lassen. Leider enthielt der Topf auch einzelne Runde Scheiben unbekannter Konsistenz, die laut unseren kasachischen Freunden die Potenz fördern und uns mit einer derartigen Freundlichkeit angeboten wurden, dass wir uns der Gruppe beugen mussten. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen konnten war, dass die gleichen vier Personen später im Stadion ihre Plätze zufällig genau neben uns einnahmen. Solche Geschichten schreibt eben nur der Fussball.

Am nächsten morgen erreichten wir nach 58 Stunden und knapp 3.050 km die kasachische Hauptstadt Astana. Irgendwie kam uns die Ankunft durchaus zu früh. Mittlerweile hatten wir uns sehr an unseren Aufenthalt im Zug gewöhnt und uns durchaus so organisiert, dass die Tage wie im Flug vergingen und zu keiner Zeit auch nur das kleinste Zeichen eines Lagerkollers oder unerträglicher Langeweile aufkam. Dies kann ja bei solch engen Räumen im Vorfeld nicht ausgeschlossen werden. Es fiel uns letztlich mehr als schwer den Zug zu verlassen, dies überwog auch die Vorfreude auf eine Ganzkörperreinigung im Hotel in Astana.







Fazit
Die Zugfahrt war ein tolles Erlebnis mit vielen kleinen aber unvergesslichen Geschichten. Moskau als Ausgangspunkt bietet den bestmöglich Ort für den Beginn dieser tollen Reise. Ist man im Vorfeld damit bemüht sich über alle Eventualitäten den Kopf zu zerbrechen gilt bei der Zugfahrt die Devise "weniger ist mehr". Man fühlt sich schnell zu Hause, hat jederzeit das Gefühl ein willkommener Gast zu sein und bekommt bei den Zwischenhalten alles an Verpflegung was man für ein paar Tage benötigt. Die Preise sind nicht so billig wie wir uns das vorab vorgestellt hatten, allerdings durchaus unterhalb des westlichen Standards. Das kontinuierliche Heizen durch die Abteilungsmama führt dazu, dass man die endlosen Weiten und Schneelandschaften zwischenzeitlich als nicht real wahrnimmt. Die Reise mit dem Zug über den Ural hinweg zur kasachischen Steppe bietet eine ideale Möglichkeit mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen und - auch wenn die Sicht aufgrund der verschmutzten Fenster nicht die Beste war - tolle Einblicke in die schier endlosen Weiten zweier unglaublich großer und beeindruckenden Länder. Bei der Ankunft in Astana überkam uns gar ein Hauch von Wehmut, obwohl die Reise noch nicht zu Ende war. Es bleibt schlicht der Trost, dass uns der Fussball auch in der Zukunft die Möglichkeit bietet solch ein Abenteuer wahrnehmen und darüber berichten zu können.

Exkurs Zeitumstellung

Die Zeitumstellung zwischen der "moskauer Zeit" und der "jekaterinburger Zeit" erfolgt offiziell laut Zeitzonenplan ungefähr nach einem Drittel der Strecke zwischen Samara und Cheljabinsk (moskauer Zeit: Berliner Zeit + 3 Stunden auf jekaterinburger Zeit: Berliner Zeit + 5 Stunden). Diese wird vom Fahrplan jedoch nicht berücksichtigt. Die Zeitumstellung im Fahrplan erfolgt genau mit der Überfahrt der Grenze von Russland nach Kasachstan. Die Zeitzone "samaraer Zeit (Berliner Zeit + 4 Stunden)" wurde durch Vladimir Putin im März 2010 abgeschafft, mit der Begründung dass diese wirtschaftlich ineffizient sei.

21.03.2013

Zugfahrt Moskau - Astana (2. Tag und Grenzübergang)



Reisebericht 2. Tag

Am zweiten Morgen waren wir zunächst erschrocken darüber, dass das Abteil wieder wie ausgestorben war. Außer unserem hustenden Nachbarn und Sergej der immer noch unseren Blicken versuchte auszuweichen, waren alle zugestiegenen Personen in Laufe der letzten Nacht wieder ausgestiegen. Diesen Morgen versuchten wir zunächst mit einem Spaziergang und einer Malzeit im hiesigen Speisewagen zu beginnen. Dort empfingen uns einer ältere Dame, die wohl in erster Linie für die Buchhaltung und das Zählen der Einnahmen zuständig war und auch über das notwendige Sitzfleisch dafür verfügte, die Frau mit den Goldzähnen die gerade dabei war ihren Wagenbestand zu füllen und ein jüngerer Mann der sich gleich aufmachte uns mit der Speisekarte zu bedienen. Als Begrüßung bekamen wir mit einem breiten Lächeln von der Dame mit dem "goldenen Lächeln" ein freundliches "Heil Hitler" zu hören. Da wir davon ausgingen, dass sie sich weder bewusst war, welcher Rolle selbiger im zweiten Weltkrieg spielte noch welch Beleidigung diese Worte für uns darstellten, versuchten wir dies einfach zu ignorieren.

Selbstverständlich konnte der junge Mann weder Englisch und unser Russisch hielt sich auch eher in Grenzen. So bestellten wir zunächst versehentlich Salat, was er wohl für ein weniger sinnvolles Frühstück hielt und somit nach kurzer Zeit wieder an unseren Tisch kam um eine neue Bestellung aufzunehmen. Es stellte sich heraus, dass die Speisekarte wohl eher zum beeindrucken bestand und der Koch eher mit der Zubereitung einer einzigen Speise vertraut war - Spiegelei und Toast ohne Butter für umgerechnet fünf Euro. Nach dem Essen kam dann noch der Koch an unseren Tisch und wollte von uns wissen was in Deutschland Autos der Marken Mercedes und Volkswagen kosten, was wir ihm mit einzelnen gemalten Bildern auf einem Stück Papier zu visualisieren versuchten. Ich glaube er hat schnell begriffen, dass die Autos sich nicht in seiner Preisklasse befinden und versuchte wiederum mit einem Lächeln und einem freundlichen "Hitler kaputt" von der Diskussion abzulenken. Nach circa einer knappen Stunde wurden wir per Handschlag und einem freundlichen "Faschist" verabschiedet, was aber für unsere Seite auch ein Zeichen dafür war, den Wagen nicht noch einmal zu betreten. Angesichts der fortlaufenden Dauer der Fahrt spielte das aber ohnehin keine Rolle.






Zweiter längerer Halt in Cheljabinsk

Überpünktlich und nach ungefähr 1.900 Kilometern und circa 37 Stunden Fahrt erreichten wir unseren zweiten großen Halt in Cheljabinsk. Dies stellte zugleich auch unseren letzten längeren Halt vor den jeweiligen Grenzkontrollen dar und wurde daher ausgiebig für einen Spaziergang am Gleis an der frischen Luft genutzt. Es bietet sich hierfür an, sich im Abteil Klamotten zu Recht zu legen, die jederzeit spontan übergeworfen werden können. Sofern alle Personen aussteigen wollen, kann die Abteilungsmama gebeten werden das Abteil abzuschließen. Sie bewacht nicht nur den Einstieg, vielmehr hat man auch das Gefühl, dass sie sehr wohl einen Überblick über die jeweiligen Passagiere hat.

An größeren Bahnhöfen wird der Zug mit ausreichend Kohle versorgt, was zur Folge hat, dass nach Abfahrt großzügig geheizt wird und die ersten Stunden danach wiederum ohne T-Shirt verbracht werden können. Am Bahnhof in Cheljabinsk mussten wir dann auch von einem unserer Weggefährten Abschied nehmen. Auch wenn wir die letzten anderthalb Tage nur Sichtkontakt hatten, wurden wir von Sergej am Gleis per Handschlag verabschiedet. Es liegt die Vermutung nahe, dass er sich letzten Abend für seine Ankunft geschont hatte. So bekamen wir auch abschließend seinen kleinen Sohn Gregory zu Gesicht.

Am Bahnhof selber bietet sich nun wieder die Gelegenheit ausführlich Proviant einzukaufen. Ich versuchte mich dieses Mal mit einer Nudelterrine und war froh über das ein oder andere Kaltgetränk. Nach 35 Minuten fuhr unser Zug wiederum überpünktlich weiter.




Da der Grenzübergang immer näher rückt füllt die Abteilungsmama erstmalig eine Liste mit unseren Personaldaten aus. Zusätzlich dazu verteilt sie Ein- bzw. Ausreisekarten die zwingend aufgehoben werden müssen. Diese werden allerdings bei der Ausstellung der Visa dem Personalausweis beigelegt, insofern ist dies nicht zwingend erforderlich. Man könnte sich hier bereits von einer der beiden Karten trennen, was wir aber aufgrund unserer Unwissenheit vermieden.

Abfertigung Grenze - russische Seite in Troisk

Der Grenzübergang von Russland nach Kasachstan befindet sich zwischen den Städten Troisk und Kaerak nach ca. 2.200 Kilometer Strecke. Ab der Grenze sind es noch ungefähr 850 Kilometer bis Astana. Auf der russischen Seite erfolgt zunächst die Ausreisekontrolle durch russische Zollbeamte. Hierfür werden zunächst die Pässe von der Begleitung der Abteilungsmama eingesammelt und den Beamten vorab zur Prüfung übergeben. Daraufhin betreten Zollbeamte mit Taschenlampen und Spiegel unseren Waggon und überprüfen die Decken, den Boden und die einzelnen Abteile. Wobei sie bei letzterem sich eher oberflächlich einen Überblick verschafften. Daraufhin betrat ein Zollbeamter unser Abteil und kontrollierte überaus freundlich die einzelnen Pässe individuell. Für die Abfertigung sind laut Fahrplan 77 Minuten als Zeit eingeplant, welche zu unserer Überraschung wiederum mehr als pünktlich eingehalten wurden.

Die Fahrt von Troisk nach Kaerak war gekennzeichnet durch meterhohen Schnee an den Rändern der Gleise. So wurden wir zwischenzeitlich am benachbarten Gleis von einer Lokomotive begleitet, die uns den Weg mit einer riesigen Schnellschaufel als Nase bahnte. Es muss an dieser Stelle eigentlich nicht gesondert erwähnt werden, dass wir im Abteil immer noch mit kurzen Hosen unterwegs waren und die Wärme eher einer Zugfahrt durch Thailand glich. Ehrlich gesagt wird einem selbiger Eindruck auch dadurch vermittelt, dass die kasachischen Landsmänner und Frauen optisch stark mongolisch und chinesisch angehaucht sind.

Abfertigung Grenze - kasachische Seite in Kaerak

Die zweite Abfertigung erfolgte direkt an Grenze knapp einen Kilometer vor der ersten kasachischen Stadt Kaerak. Vorab kontrolliert die Abteilungsmama nochmal gründlich ob die von ihr ausgeteilten Ein- und Ausreisekarten richtig befüllt wurden. Nicht nur hierbei macht sich ein Hauch Nervosität bemerkbar. So konnten wir schon vor der ersten Kontrolle durch den russischen Zoll feststellen, dass eine Vielzahl an Gegenständen in Kartons und Taschen verpackt und in den leeren Abteilen gebunkert wurden. Ob hierbei alles mit rechten Dingen zuging sei mal dahingestellt.

Diesmal kamen drei kasachische Beamte mit zwei Hunden in unseren Waggon, welche aber zunächst in einem benachbarten Teil angebunden wurden und durch kontinuierliches Bellen auf sich aufmerksam machten. Zunächst musste also davon ausgegangen werden, dass die Kontrollen hier überaus unangenehm von Statten gehen, was aber absolut nicht der Fall war. Zur Passkontrolle kam lediglich ein Beamter in unser Abteil und interessierte sich überhaupt nicht für unser Proviant und unser Gepäck. Bestückt mit einem Notebook kontrollierte er wiederum überfreundlich unsere Pässe und stempelte erstmalig unsere Einreisekarte ab. Dieser Vorgang dauert pro Person circa zwei Minuten.

Daraufhin fuhr der Zug nach circa 50 Minuten pünktlich wie gehabt in Kasachstan weiter und erreichte nach knapp zwei Stunden den ersten großen Halt in Kustanay.





20.03.2013

Zugfahrt Moskau - Astana (1. Abend und 1. Tag)



Reisebericht Erster Abend und erster Tag

Der Zug startete pünktlich um 22.50 Uhr in Moskau. Zu unserer Enttäuschung müssen wir schnell feststellen, dass die Fenster im gesamten Zug sehr dreckig sind und kaum eine freie Sicht aus dem Zug zulassen. Wir hatten uns darauf sehr gefreut, da wir bereits im Vorfeld bedenken bezüglich unserer Freizeitgestaltung hatten und die winterliche Landschaft von Moskau über den Ural hin zur kasachischen Steppe doch als viel versprechende Ablenkung dienen sollte. Wer sich also in erster Linie seine Zeit damit vertreiben möchte Fotos zu schießen, wird schnell merken, dass dies kaum möglich ist und nach Alternativen zur Freizeitgestaltung Ausschau gehalten werden muss (dies ergibt sich aber von selbst). Zu Beginn muss man sich an seine neue Umgebung gewöhnen und es überfallt einen für einen kurzen Moment ein beengendes Gefühl. Nachdem wir uns in unserer neue Umgebung eingerichtet und ausgebreitet haben, durften wir nun unser erstes Feierabendbier genießen. So konnten wir uns schnell eingewöhnen und fanden durchaus gefallen an der Aussicht über die nächsten drei Nächte und beiden Tage unsere Zeit im Zug zu verbringen.





Im Vorfeld hatten wir in Berichten im Internet gelesen, dass die russischen und vor allem kasachischen Passagiere die eher teuren separaten Schlafwagen zu meiden versuchen und eher dazu neigen im normalen "Holzwaggon" zu reisen. Dies bestätigte sich auch zum Teil. Wir hatten in Summe zu Beginn der Reise vier weitere Personen im Abteil. Auf der einen Seite direkt neben uns hatten sich eine etwas korpulentere Dame und ihre Tochter einquartiert, welche wir aber kaum zu Gesicht bekamen. Auf der rechten Seite war ein älterer Herr Begleiter unserer Reisegruppe, der aber in erster Linie durch seinen überaus lauten Raucherhusten auf sich aufmerksam machte und immer dann auf dem Gang zu hören war, wenn er tief schnaufend vor seiner Tür stand und zum Fenster rausschaute.

Ein Zimmer danach hatte sich ein jüngerer Herr eingenistet, welcher uns nach kurzer Zeit spontan Gesellschaft leistete und uns durchaus auf bisher nicht geahnte Grenzen aufmerksam machte. So dauerte es circa eine Stunde nach Abfahrt und Sergej stand bewaffnet mit einer Flasche Vodka, ein paar Plastikbechern, einem Liter Tomatensaft und einer Tüte Zitronenscheiben vor unserer Tür und musste sich nicht lange herein bitten lassen. Die sprachliche Barriere spielte fortan keine Rolle und so fand fortan ein gesellschaftlicher Austausch statt, welcher in erster Linie auf Alkohol basierte. Uns war relativ schnell klar, dass der Abend erst dann ein Ende findet, wenn der letzte Tropfen Vodka geflossen ist. So versuchten wir unser Bestes und die Flasche konnte relativ schnell geleert werden. Wie erwartet verlies Sergej daraufhin unser Abteil, jedoch nicht um sich in den verdienten Schlaf zu verabschieden, vielmehr kam er nach kurzer Zeit mit einer zweiten Flasche Vodka und seinem Notebook wieder. Dies war gleichzeitig der Startschuss für die zweite Runde. Durch sein Notebook konnte uns Sergej ein Stück weit in seinen Alltag als russischer Soldat einweihen und zeigte uns diverse Videos von Trainingseinheiten (sowohl an der Waffe als auch an der Flasche) und militärischen Einsätzen in Dagestan. Da wir wohl nicht die einzigen waren die einen langen Tag hinter sich hatten, sondern auch Sergej nach und nach die Kräfte verließen, fand der Abend bei ihm im Abteilung mit ein paar Schlücken Bier seinen Abschluss. Zugegeben war man aufgrund des hohen Tempos zwischenzeitlich bemüht sich im Raucherabteil "Luft" zu verschaffen. Über zu wenig Schlaf mussten wir uns dann aber keine Sorgen machen, da wir alle durchaus erledigt waren und die kontinuierlichen Fahrgeräusche des Zugs eine überaus beruhigende Wirkung auf einen haben.

Es ist jedoch zu empfehlen, dass nachts immer die Tür von innen verschlossen wird. Der Zug hält auch in der Nacht mehrmals und es kommen immer wieder Verkäufer in die Waggons. Da natürlich kaum Reisende den Zug verlassen und auch in den Gängen nicht unbedingt von regem Treiben gesprochen werden kann, öffnen die Verkäufer alle nicht abgeschlossenen Türen und rufen lauthals in jedes Abteil. Mal ehrlich, wer der Reisenden hat nachts zwingend einen Bedarf an Klatschblättern und Handys? Besonders lustig ist die Tatsache, dass einem mehrfach versucht wird Wolldecken zu verkaufen, obwohl der Waggon fortlaufend karibische Temperaturen hat und wir alle ohne Decken und teilweise Oberkörperfrei in den Betten lagen.
Am nächsten Morgen machten wir uns erstmalig auf den Weg durch den Zug. Da, wie bereits erwähnt, die Durchgänge durch die Abteile nachts geschlossen waren, konnten wir uns nun einen ersten Eindruck über den "Holzwaggon", die anderen Schlafkabinen und den Speisewagen verschaffen. Hierbei trafen wir auch die ersten Deutschen, die zwei Abteile weiter Hausten und uns in zehn Minuten versuchten ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Wie erkannten relativ schnell, dass wir in unserem Abteil besser aufgehoben waren und suchten das Weite (auch angesichts der Tatsache, dass kurze Zeit später in Samara der erste längere Halt auf uns wartete und wir uns für den Ausstieg vorbereiten wollten).

Erster längerer Halt in Samara

In Samara angekommen, freuten wir uns zunächst über die frische Luft. Es soll nicht der falsche Eindruck entstehen, dass es im Zug nicht auszuhalten ist. Die Wärme und die Tatsache, dass man keine Fenster öffnen kann ist aber zunächst ein wenig gewöhnungsbedürftig. In Samara angekommen warten am Gleis mehrere kleine Läden auf einen. Es ist ratsam sich nicht zuviel Essen und Wasser vorab zu kaufen, da es in den Läden eine große Auswahl an kalten Getränken, leckerem einheimischen Gebäck, Nudelterrinen, Obst, Kaffee und diverse andere Dinge günstig zu kaufen gibt.

In Samara hatten wir 45 Minuten Aufenthalt, welcher auch genutzt wurde um mit einer alten Unterhose von außen die Scheibe zu putzen. Dies ist allerdings nur Personen mit über 1,80 Meter Körperlänge vorenthalten, da der Zug samt Stellwerk ziemlich hoch ist. Nach längerem Reiben konnte ein kleines Loch erarbeitet werden, was lediglich dazu diente, ab und an ein paar Fotos zu machen.

Der Zug fuhr pünktlich nach 45 Minuten weiter. Es wird einem geraten ein bisschen früher wieder in den Waggon einzusteigen, da der Zug oftmals überpünktlich und ohne Ansage weiterfährt.




In Samara füllte sich das Abteil ausgiebig, so dass die ersten Minuten nach Abfahrt auch ein reger Verkehr im Gang zu vernehmen war. Zugegeben war die Anwesenheit mehrerer Fahrgäste nicht ausschließlich dem Treiben auf den Gängen anzumerken, vielmehr konnte nun auch erstmalig der prophezeite vermischte Geruch aus Alkohol, Knoblauch und körperlichen Ausdünstungen wahrgenommen werden.

So neigte sich auch der erste Tag allmählich dem Ende zu und die Zeit verging wie im Flug. Man hat durch die einzelnen kleinen Geschichten jegliches Zeitgefühl verloren und erfreut sich bereits nach den ersten 24 Stunden über einen hohes Maß innerlicher Ausgeglichenheit und Erholung. An dieser Stelle muss auch erwähnt werden, dass Sergej fortan schnellstmöglich versuchte an unserem Abteil vorbei zu laufen. Wir hatten das Gefühl, dass er bewusst versuchte unsere Blicke zu vermeiden da er den gestrigen Abend wohl doch länger verarbeiten musste als wir.

19.03.2013

Zugfahrt Moskau - Astana (Vorwort und Zustieg in Moskau)



Vorwort

Ab und an ergeben sich aufgrund einzelner Ereignisse die besten Ideen. So nahmen wir uns (vier junge Herren sportlicher Gestalt) das Länderspiel zwischen Kasachstan und Deutschland zum Anlass für eine Fussballreise der etwas anderen Art. Ausschlaggebend hierfür war aber insbesondere die Tatsache, dass eines unserer Reisemitglieder Astana - die Hauptstadt Kasachstans und gleichzeitig das Ziel unserer Reise - bereits in der Vergangenheit mit dem Flugzeug angesteuert hat und Lust auf etwas Abwechslung hatte. So machten wir uns über alternative Reisemittel Gedanken und es überkam uns relativ schnell der Gedanke von Moskau nach Astana mit dem Zug zu fahren.

Hierbei muss allerdings erwähnt werden, dass der kasachische Fussballverband uns unserer Vorfreude ein Stück weit beraubt hatte und den ursprünglichen Spielort von Almaty nach Astana verlegte. Diese durchaus zweifelhafte Entscheidung die wohl eher finanziellen und vorallem politischen Einflussfaktoren unterlag (Astana ist erst seit 1997 die Hauptstadt Kasachstans und auch der Sitz und somit auch der Spielplatz des kasachischen Diktators), wurde mit dem Risiko der eventuell schlechten Platzverhältnisse aufgrund der Witterungsbedingungen argumentiert. Dass es zu der Jahreszeit aber durchaus frühlingshafte Temperaturen in Almaty hat und in Astana eher winterliche Verhältnisse spielte bei der Entscheidung auch eher eine untergeordnete Rolle (eine Multifunktionsarena mit Kunstrasen war wohl in den letzten Jahren die kleinste Investition im Vergleich zu den restlichen imposanten und eher künstlichen Gebäuden der Stadt). Da wir allerdings zunächst unseren Rückflug von Almaty über Moskau und Düsseldorf nach Stuttgart gebucht haben, mussten wir uns um einen zusätzlichen Flug von Astana nach Almaty bemühen und dort im Anschluss an das Spiel mit einer Nacht am Flughafen begnügen. Das Resultat war eine Rückreise von insgesamt 34 Stunden.

Die Entscheidung des kasachischen Fussballverbandes hatte aber auch einen durchaus positiven Aspekt, welcher dazu führte, dass die getrübte Stimmung schnell in Vergessenheit geriet. So wurde uns ein weiterer Tag in Moskau geschenkt und bescherte uns einen interessanten Einblick in das Treiben einer der schönsten, imposantesten und geschichtsträchtigsten Metropolen der Welt. Zugegeben, über die Stimmung und die Wirkung dieser Stadt kann ein Buch geschrieben werden. Eine Reise nach Moskau ist absolut empfehlenswert und stellt ein absolutes Muss für jeden Reisenden mit einer gewissen Affinität zu osteuropäischen Metropolen dar und bietet unvergessliche Einblicke in die kommunistische Vergangenheit des größten Landes der Welt. Im Nachhinein könnte ich mir jedoch keinen schöneren Ort als Startpunkt für diese Länderspielreise vorstellen.


Ankunft am Bahnhof, Abfertigung und Abfahrt

Die Tickets für Zugfahrten von und in osteuropäische Städte und Länder können problemlos in deutsch-russischen Reisebüros gebucht werden. Dies ist auch deshalb empfehlenswert, weil man für Russland und Kasachstan jeweils Visa benötigt und diese billiger bei solchen Reisebüros beantragen kann als bei irgendwelchen Internetanbietern. Die Tickets können circa zwei Monate vorher gebucht werden und müssen vor Ort am Bahnhof ausgedruckt werden. Die Reisenden bekommen zunächst jeweils ein Voucher mit einer Buchungsnummer, die am Automaten vor Ort zusätzlich zur Reisepassnummer angegeben werden muss. Die Zugfahrt startete vom Moskauer Bahnhof "kazanskiy vokzal" welcher im Nordosten Moskaus liegt und problemlos mit dem U-Bahn-Netz erreicht werden kann. Da sich an diesem Bahnhof zwei Metrostationen kreuzen muss man je nachdem von welcher Richtung man kommt, an das andere Ende des Bahnhofs laufen. Die Ticketautomaten der Zuggesellschaft sind nicht gesondert ausgeschrieben - was ohnehin eher belanglos wäre, da die Beschilderung am Bahnhof ausführlich in kyrillisch gehalten ist - und befinden sich in der Haupthalle die von außerhalb des Bahnhofs besser zu finden ist, als wenn man schon im Bahnhof drin ist und sich inmitten des Treibens der einheimischen Pendler befindet. Dies ist aber der erste Moment wo die russische Gastfreundschaft hervorgehoben werden muss. So fanden wir schnell eine ältere Dame an einem Informationsschalter die uns ohne zu zögern in Richtung der richtigen Halle geleitet hat. Das Ausdrucken am Automaten geht problemlos auch auf Englisch. Das Gleis an dem der Zug abfährt, wird circa drei Stunden vor Abfahrt bekannt gegeben und befindet sich unweit der Automaten in der Haupthalle.
 



Da der Zug frühzeitig vor der Abfahrt in Moskau ankam konnten wir schon knapp 45 Minuten vor Abfahrt unsere Räumlichkeiten beziehen. Zunächst wollten wir uns aber mit genügend Proviant eindecken. Hierfür bietet ein Supermarkt linker Hand vor dem Eingang des Hauptgebäudes die perfekte Möglichkeit. Dieser Supermarkt kann kaum übersehen werden, ist 24 Stunden geöffnet und wird von einer Hand voll Herren mittleren Alters und ebenso von sportlicher Gestalt bewacht. Da wir unsere Rucksäcke nicht mit in den Laden nehmen durften, haben wir uns mit den Einkäufen abgewechselt und erkannten relativ schnell den Grund für die reichliche Bewachung des Supermarkts. Es kamen immer wieder angetrunkene russische Freunde zum Nachbarschaftstreffen ins Gebäude und wurden schnell aus demselbigen verwiesen. Sie erhofften sich wohl Zugang zur lokalen Schnapssammlung. Nachdem wir uns mit ausreichend Brot, Wurst, Fischdosen, Wasser und Vodka eingedeckt hatten, ging es endlich zum Gleis und die Reise mit dem Zug konnte allmählich beginnen.

Wir hatten uns ein Schlafabteil für vier Personen gebucht, welches sich gleich im ersten Waggon befand. Die Tickets werden direkt am Eingang von einer älteren kasachischen Dame und ihrem Begleiter kontrolliert. Nachdem den Beiden klar war, dass wir aus Deutschland kommen und auf dem Weg zum Länderspiel nach Kasachstan sind, wurden wir mit Handschlag begrüßt und darauf hingewiesen, dass für beide Parteien ein Unentschieden das richtige Ergebnis sei. Es stellte sich später heraus, dass die ältere Dame (im weiteren Verlauf Abteilungsmama genannt) und ihr Begleiter in unserem Waggon wohnten und gleichzeitig für unser Wohlbefinden zuständig waren.

Der Zug und die Ausstattung

Der Zug ist stark im osteuropäischen Stil gehalten und der gezierte Teppich im Gang vor unserem Schlafabteil erinnert stark an Omas Wohnzimmer vergangener Tage. Die Zimmer sind sehr sauber und augenscheinlich frisch gereinigt. Es befinden sich jeweils zwei ausgeklappte Betten auf beiden Seiten. Auf den Betten liegen jeweils Matratzen zum Ausrollen, ein Kopfkissen und eine Wolldecke (letztere ist aufgrund der Temperatur aber absolut überflüssig, dazu aber später mehr). Kurz nach Abfahrt wird einem eine Tüte mit einem Hand- und einem Leintuch verteilt. Bei der Nutzung des Handtuchs sollte man eher vorsichtig sein, da diese wohl nicht allzu gründlich gereinigt werden. So konnten wir bei einem letzte Überreste körperlicher Ausscheidungen feststellen, worüber man sich besser keine tieferen Gedanken machen sollte. Vor unserem Schlafabteil befand sich eine Steckdose wofür keine separater Adapter notwendig war. Die Steckdose reicht allerdings vollkommen aus, da man sie den ganzen Tag im Blick hat und nutzen kann. Die Toilette befindet sich am anderen Ende des Ganges auf der linken Seite vor einer Tür, die den Eingang zum Raucherzimmer darstellt. In der Toilette findet man ein Waschbecken mit fließend kaltem Wasser, mit welchem oberflächliche körperliche Reinigungen durchgeführt werden können. Eine Dusche im Zug gibt es nicht. Das Klo ist selbstverständlich nicht mit demselbigen in einen Fünf-Sterne-Hotel vergleichbar, erfüllt jedoch seinen Zweck und wird mittels Fußpedal direkt auf das Gleis entleert. Im Zimmer gibt es ausreichend Stauraum unter den beiden unteren Betten und oben in der Wand in Richtung Gang. So können sich alle vier Parteien ein kleines Lager schaffen, welches absolut ausreichend ist und dafür sorgt, dass der ohnehin eher überschaubare Platz nicht unnötig vollgestellt werden muss. Richtung Fenster befindet sich ein Tisch, der zur Ablage und oder zu Essen genutzt werden kann. Es ist zu empfehlen, dass man sich im Vorfeld zur Reise den Fahrplan ausdruckt, welcher im Abteil aufgehängt werden kann und alle Abfahrtszeiten der Zwischenhalte enthält. Generell ist man im Laufe der Zeit froh um jegliche Orientierung (der Reiseplan kann über die Homepage der deutschen Bahn ausgedruckt werden). Die Aufenthaltsorte samt Zeiten hängen auch im Gang aus, es ist aber ganz gut wenn man einen Vergleich hat der nicht in Kyrillisch geschrieben ist.

Sofern man irgendwelche Fragen hat oder generell Hilfe benötigt, kann jederzeit auf die Abteilungsmama zugegangen werden. Sie ist nicht nur zur Reinigung des Waggons vor Ort zuständig, sondern hilft bei allen Fragen, kümmert sich darum dass das Abteil im ausreichen warm ist (warm ist hierbei aber fast untertrieben, nachts ist es phasenweise extrem warm und das Tragen eines T-Shirts wird eher überflüssig - Tipp: Kurze Hose auch im Winter mitnehmen, absolut ausreichend!) und versorgt und reinigt die Toilette. Am Ende des Waggons befindet sich ein kleiner Ofen, der von ihr kontinuierlich mit Kohle befüllt und heiß gehalten wird. Daran befindet sich ein kleiner Hahn, woraus man sich jederzeit heißes Wasser ablassen kann. Es empfiehlt sich Kaffeepulver oder Tee in den Zug mitzunehmen, so ist jederzeit für warme Getränke gesorgt. Auf Nachfrage kann man sich von der Abteilungsmama auch eine kleine Teekanne geben lassen und diese auf dem Ofen abstellen.

Die einzelnen Waggons werden nachts abgeschlossen. So wird vermieden, dass einzelne Personen durch den Zug wandern und sich unerlaubt Zugang zu Räumen verschaffen. Tagsüber sind jedoch alle Waggons erreichbar, so befindet sich ein paar Wagen weiter auch ein Speisewagen. Die Versorgung im Zug wird zusätzlich von einer älteren Dame mit beeindruckenden goldenen Zahnreihen übernommen, die nahezu stündlich am Abteil vorbeiläuft und einen kleine Wagen vor sich herschiebt. Es ist aber sinnvoll auf Einkäufe bei ihr zu verzichten, da diese viel zu teuer sind und es sich einem ausreichend Möglichkeiten bieten an Bahnhöfen einzukaufen.